Im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz (KI) eröffnen sich auch im politischen Diskurs neue Möglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist die Visualisierung von Parteiprogrammen mithilfe von KI, die versucht, komplexe politische Inhalte in einfacher verständlicher Bildsprache darzustellen. Diese Methode bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen und wird derzeit intensiv diskutiert.
Der KI-Berater Max Mundhenke hat ein Projekt gestartet, in dem er die Wahlprogramme der Parteien mithilfe von KI visualisiert. Er fütterte ChatGPT mit den offiziellen Programmen und stellte die Frage: "Wie würde unsere Zukunft aussehen, wenn 100 Prozent der Inhalte dieses Programms umgesetzt würden?". Die textbasierten Antworten der KI dienten anschließend als Grundlage für die Bildgenerierung mittels Dall-E. Entstanden sind eindrückliche Bilder, die unterschiedliche Zukunftsvisionen präsentieren – vom grünen Bus der SPD bis zu Grenzkontrollen bei der AfD. Mundhenke betont, dass die Bilder keine Wahlempfehlung, sondern ein Wahlaufruf seien. Er möchte damit die Komplexität der Programme reduzieren, einen neuen Zugang zur Politik ermöglichen und die Diskussion über Politik und KI anregen.
Die KI-generierten Bilder bieten die Chance, Politik für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen, insbesondere für Menschen mit geringem Politikinteresse. Gerade die emotionale Ansprache durch Bilder kann hier eine wichtige Rolle spielen. Der Politikwissenschaftler Sebastian Jäckle von der Universität Freiburg sieht darin Potenzial, die Bilder als Diskussionsgrundlage zu nutzen, insbesondere wenn sie zu einzelnen Themenbereichen generiert werden.
Gleichzeitig weist Jäckle auf die Grenzen der Methode hin. Die Bilder basieren auf idealisierten Darstellungen der Parteiprogramme, die positive Aspekte hervorheben und negative ausblenden. Eine Ausnahme bildet die AfD, die mit Negative Campaigning arbeitet und ein negatives Zukunftsbild zeichnet. Jäckle gibt auch zu bedenken, ob die Bilder tatsächlich die Unterschiede zwischen den Parteien und ihren Zielen deutlich machen, was für Wähler entscheidend ist.
Auch die Objektivität der KI-generierten Bilder ist ein Thema. Mundhenke selbst betont, dass es sich um Interpretationen handelt, die nicht vollständig objektiv sein können. Darüber hinaus lassen sich einige Programminhalte nur schwer visualisieren, beispielsweise die Forderung nach der Förderung von Popkultur oder die Einhaltung der Schuldenbremse.
Die zunehmende Nutzung von KI im Wahlkampf wirft Fragen nach Transparenz und Regulierung auf. Die einfache Erstellung von Wahlwerbung mithilfe von KI-Tools birgt die Gefahr von Fake News und irreführenden Darstellungen. Daher ist es wichtig, die Verwendung von KI kenntlich zu machen. Mehrere Parteien haben sich bereits dazu verpflichtet, Transparenz zu gewährleisten und die Nutzung von KI bei der Bildbearbeitung offenzulegen.
Derzeit gibt es jedoch noch keine verbindlichen Regeln für den Einsatz von KI im Wahlkampf. Der europäische "AI Act", der unter anderem eine Transparenzpflicht vorsieht, tritt erst später in Kraft. Daher setzen einige Parteien auf Selbstregulierung und haben interne Richtlinien für ihre Mitglieder und Kandidaten herausgegeben. Die SPD hat beispielsweise ein Handbuch zum Thema KI im Wahlkampf erstellt und bemüht sich um ein Fairness-Abkommen mit anderen Parteien zum Umgang mit KI-generierten Inhalten.
Insgesamt zeigt die Visualisierung von Parteiprogrammen durch KI das Potenzial dieser Technologie für den politischen Diskurs. Gleichzeitig verdeutlicht sie die Notwendigkeit von kritischer Auseinandersetzung, Transparenz und Regulierung, um die Chancen der KI zu nutzen und gleichzeitig die Risiken zu minimieren.
Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss KI-generierte Inhalte letztendlich auf den Wahlkampf und die Wählerentscheidungen haben werden. Experten wie Clara Helming von Algorithmwatch betonen, dass KI nur ein Werkzeug von vielen ist und die Technologie allein keine Wahlen entscheidet. Die Verantwortung für den Umgang mit KI und die Sicherstellung eines fairen und transparenten Wahlkampfs liegt letztendlich bei den Parteien selbst.
Bibliographie: - https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/kuenstliche-intelligenz-wahlprogramm-parteien-bundestagswahl-100.html - https://www.tagesspiegel.de/politik/eher-positive-zukunftsbilder-so-zeichnet-eine-ki-die-wahlprogramme-der-parteien-12989920.html - https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/policy_papers/PDF/2021/IW-Policy-Paper_2021-KI-Wahlprogramme-neu.pdf - https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/kuenstliche-intelligenz-wahlkampf-100.html - https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/ki-tools-parteien-bundestagswahl-100.html - https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-1412790.html - https://mediatum.ub.tum.de/doc/1662853/1662853.pdf - https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/wahlprogramm-innere-sicherheit-strafrecht-migration-bundestagswahl - https://www.ardmediathek.de/video/tagesschau24/ki-im-wahlkampf/tagesschau24/Y3JpZDovL3RhZ2Vzc2NoYXUuZGUvODczOTBkYzMtMjczYy00Y2I2LTgzOGQtNjJiNjFiODhhMjY1